Nicole Jola ist seit zwei Jahren für die medizinische Betreuung der Zurich United-Delegation in Tschechien verantwortlich. Ein Job, der es in sich hat und den die Notfall-Pflegefachfrau bravourös meistert. Einerseits mit stoischer Ruhe und grosser Übersicht, andererseits mit einem immensen Fachwissen sowie dem nötigen Blick für’s Wesentliche. Kein Wunder, seit 20 Jahren übt sie diesen Beruf aus.

Tino …

Ihr zur Seite standen Tino Erni sowie Sereina Zwissler. Tino, der Wissbegierige, der sich sein Können in verschiedenen Kursen und Weiterbildungen angeeignet und den Jungs tagein, tagaus mit viel Engagement seine Behandlungen erklärt hat.

… und Sereina

Und Sereina, der Liebenswürdigen, die auf eine FAGE-Ausbildung zurückblickt und nun eine Ausbildung zur Physiotherapeutin begonnen hat. «Ein bunt zusammengewürfeltes Trio, das bestens harmonierte und das gemeinsam die Verletzten ‘ghäschelet u bäschelet het’. Wir haben viel gekrampft aber auch viel gelacht», so Teamleaderin Nicole.

Ein paar Fakten zur medizinischen Betreuung während den Prague Games

Und…

Nicole Jola zu folgenden drei Stichwörtern

Kopf
Nicole: «Nasenbruch, diverse Erkältungen nach der Carfahrt von Zürich nach Prag.»

Oberkörper
Nicole: «Handgelenkbruch, diverse Schulterverletzungen, Rippenfraktur, muskuläre Verspannungen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Heimweh wurde von den Teambetreuern aufgefangen.»

Unterkörper
Nicole: «Knieschmerzen, Fussschmerzen, diverse muskuläre Verspannungen. Zehe, die an einem Türrahmen blutig geschlagen worden ist.»

Die Ruhe selbst

Nicole, sind so viele Verletzte überhaupt noch zu verantworten?
Nicole: «Du meinst, dass man besser auf die Teilnahme an solch einem internationalen Turnier verzichten sollte?»

Genau.
Nicole: «Ich interpretiere die Zahlen anders. Wären diese Spiele Meisterschaftsspiele gewesen, dann hätte es im Durchschnitt ähnlich viele Verletzte gegeben. Zuhause kümmern sich die Eltern um ihre Kinder, es verflüchtigt sich alles. Hier taten es mein Team und ich. Wir hielten die Begebenheiten fest, somit kommt nun alles gebündelt in Zahlen daher. Ob nun hier oder zu Hause, Verletzungen gehören nun mal zum Sport. Es gibt keinen Grund, die Jungen dieses spezielle internationale Turnier nicht miterleben zu lassen. Ich muss aber sagen, dass die Gangart an den diesjährigen Spielen härter war als auch schon.»

Hat eine Turnierteilnahme noch andere Auswirkungen auf die Spielerinnen und Spieler?
Nicole: «Bestimmt. Es gibt Meisterschaftsspieler, die an einem Match zur Hochform auflaufen können, als Turnierspieler aber nie richtig in Fahrt kommen. Unsere Kids haben früh morgens, unter tags und auch abends spielen müssen. Dies während fünf Tagen, was eine lange Zeit ist und natürlich auch dementsprechende müde macht. Die Verletzungsgefahr steigt natürlich an solch einem Turnier von Tag zu Tag.»

Wie waren die diesjährigen Prague Games für dich?
Nicole: «Sie waren streng, sehr streng, wie alle Jahre. Ich weiss gar nicht, wie ich all diese Arbeit letztes Jahr alleine schaffen konnte. Heuer hatte ich zum Glück mit Tino und Sereina geniale Hilfe an meiner Seite. Unsere zwei Räume und unser Sofa wurden zu einer Art Rückzugsoase für viele unserer Kids. Hier konnten sie auch mal sich selber sein und plaudern wie sie wollten.»

Wie sahen deine Präsenzzeiten aus?
Nicole: «Ich begann um 06:00 Uhr mit den ersten Behandlungen, gönnte mir tagsüber eine Stunde Essenspause und hörte um 23:30 Uhr mit der Arbeit auf.»

Happig.
Nicole: «Ja. Unsere Präsenzzeiten wären sicher noch länger ausgefallen, wenn nicht die Trainer und Betreuer uns während diesen vier Tagen so hilfreich unterstützt hätten. Oft verarzteten sie die angeschlagenen Spielerinnen und Spieler selber oder griffen auf unsere Anweisungen per Telefon zurück – was meistens sehr gut klappte. Hierfür winde ich ihnen ein Kränzchen.»

Seit 20 Jahren arbeitest du als Notfall-Pflegefachfrau, bringst eine grosse Erfahrung mit.
Nicole: «Ja, die hilft mir natürlich hier vor Ort. Die ganze medizinische Verantwortung liegt auf meinen Schultern. Diesen Druck spüre ich schon. Ich weiss aber, dass ich im Notfall auf die nächst höhere Instanz, das Prager-Spital, zurückgreifen und eine zweite Meinung einholen kann. Das beruhigt. Ich lernte in all den Jahren, wie weit ich die Verantwortung selber tragen kann und ab wann ich sie weitergeben muss.»

Du strömst bei deinen Behandlungen eine enorme Ruhe aus.
Nicole: »Ich beginne nie hektisch. Ich bleibe ruhig, gebe dem Patienten erst mal einen Moment um ‘düre ds schnüfele’. Ein Laie erträgt diesen Moment kaum und versteht vielleicht nicht, wieso ich nicht gleich agiere. Einige schreien mich dann an, was durchaus auch im Berufsalltag vorkommen kann. Sie erwarten, dass in zehn Sekunden wieder alles gut sein soll. Ich nutze das kurze Durchatmen aber, um die verletzte Person zu beobachten, mir ein Bild von der Situation zu machen. Ich bin innerlich omnipräsent, analysiere und entscheide dann, was zu tun ist.»

Gibt es Eltern, die sich bei dir melden?
Nicole: «Wir nehmen wenn nötig immer mit ihnen Kontakt auf. Das weitere Vorgehen wird dann, wenn möglich, zusammen besprochen. Zurück in der Schweiz stelle ich dann die wichtigsten Dokumentationsblätter zur Verfügung, damit die hiesigen Ärzte Bescheid wissen, was in Prag genau passiert ist. Gelegentlich kriege ich bei solchen Kontakten auch ein Dankeschön zu hören. Die meisten herzlichen Feedbacks erhalte ich aber vor Ort, von den Jugendlichen selber.»

Bist du noch in anderen Vereinen aktiv?
Nicole: »Seit 8-9 Jahren gebe ich meine Freizeit für Sportlager her. Neben den Prague Games nehme ich noch zwei Wochen in Arosa am Ochsner Academy Sportcamp teil. Weiter bin ich zu 20% für den Eishockey-Nachwuchs der ZSC-Lions tätig und betreue auch noch die ZSC-NLA Frauen (Schweizermeisterinnen). In diesem Jahr war ich zudem noch zwei Wochen am PeeWee in Quebec Kanada. Eine Weltmeisterschaft für junge Eishockeyaner mit Jahrgang 2005.»

Bei so viel Engagement für die Jungen, bleibt da noch Zeit für uns und die Prague Games 2019?
Nicole: «Ich will mich im Moment noch nicht festlegen. Erst gönne mir ein paar freie Tage mit meiner Familie. Ich war nun häufig unterwegs und sie musste immer wieder mal auf mich verzichten. Zusammen werden wir uns dann entscheiden, welche medizinischen Betreuungen ich 2019 annehme und welche nicht. Die Eishockeyaner stehen Schlange und möchten mich noch häufiger verpflichten.»

Zudem konntest du zu Hause nicht einfach den Liegestuhl geniessen.
Nicole: «Ja, meine Tochter Vanessa hat sich an einem Match an den Prague Games verletzt. Sie hat ein Quetschtrauma erlitten und kaum zu Hause, sind wir zusammen im Spital gelandet, um alles noch genauer zu untersuchen.»

Was ist passiert?
Nicole: «Sie hat ihre Hand in einer Bande eingeklemmt.»

Spielerinnen haben mich in Prag darauf aufmerksam gemacht, dass die Verletzungsgefahr wegen der zu wenig hohen Banden zu gross sei. Zudem würden während den Spielen verschobene Banden von den Helfern in der Halle zu wenig konsequent zusammengeschoben.
Nicole: «Tino, Sereina und ich sind während den Prague Games immer 24 Stunden erreichbar. Wir sind auch durchaus so flexibel, dass wir per Uber in eine Halle fahren und Verletzte oder Angeschlagene vor Ort betreuen. Ein Service, den das Staff sehr zu schätzen weiss. Mir sind diese Banden auch aufgefallen. Wichtig ist vor allem, dass die Helfer ihren Einsatz während den Spielen leisten. Wir werden diese Thematik im OK und dann bestimmt mit dem Prager-Veranstalter besprechen und schauen, wie die Situation nächstes Jahr verbessert werden kann.»

Nicole, merci für dieses Gespräch. Geniess deine Ferien und hoffentlich bist du 2019 wieder mit ihm Team. Wir alle würden uns sehr freuen! Deiner Tochter und allen anderen Verletzten, gute und rasche Besserung!