Ankunft in Prag

Tagesbericht vom Samstag, 7. Juli 2018

Ihr Gesicht widerspiegelt Irritation. Nach einer gefühlten Ewigkeit äussert sie sich: «Es sind keine Zimmer für Zurich United gebucht.». Lange Pause, klicken der Maus, Blick in den Computer, kein Lächeln, nichts. Spätestens jetzt kriege ich als Neuling erhöhten Puls und glaube, mich verhört zu haben.

Wäre jetzt nicht ein etwas vehementes Nachfragen nötig? Andrea Nussle neben mir lehnt lässig an der Rezeption, ruhig, lächelnd. Mir jagen Fakten durch den Kopf: Prag, 7.7., Hotel Olympik, Teamhotel, am Montag, 9.7., Ankunft von 360 Jugendlichen, Staff und Betreuern. 155 davon sollten hier einquartiert werden. Keine Zimmerreservation, grosses, sehr grosses Problem, Notfallszenario, Improvisation.

Die Rezeptionistin zeigt sich immer noch undurchsichtig, Andrea lächelt immer noch, ich fotografiere.

Da gesellt sich Pavel, der Rezeptionist dazu. Sein Gesicht erhellt sich. Er hat Andrea erblickt. Sie scheinen sich zu kennen. Die Begrüssung ist herzlich. Plötzlich geht es ruck zuck. Ich höre das Wort «Floorball», die Rezeptionistin kommt in die Gänge, auch ohne verziehen der Miene. Eine Zimmerkarte rückt in mein Blickfeld. 18. Stock, Zimmer 13. Es gibt also ein Bett für mich und nebenan, im Zimmer 14 auch eines für Andrea. Wir sind eingecheckt. Die Rezeptionistin schafft diesen Arbeitsgang tatsächlich ohne hochgezogene Mundwinkel. Nun, wenigstens zeigen wir unsere Lachfältchen.

Im Lift geht es in die Höhe. «So hoch war ich noch nie», bemerkt Andrea. «Das macht mir Angst, ich habe Höhenangst.» Ich versuche abzulenken. «Ich staune, dass du vorhin so ruhig geblieben bist.» Andrea lässt sich darauf ein: «Vor einem Jahr haben wir einen Schuh voll herausgezogen.» «Wieso denn?», erkundige ich mich. Andrea: «Wir dachten, dass das Hotel uns zu wenig Zimmer reserviert hat.» Das Ganze gipfelte darin, dass sich die Zurich United-Verantwortlichen sogar beim Direktor des Hotels beschwerten. Andrea: »Schlussendlich bemerkten wir, dass wir Zurich United-Frauen falsch gerechnet haben, war das peinlich. Wir mussten uns entschuldigen.»

Wir stehen vor unseren Zimmern. Ich öffne die Türe und sehe mein Zimmer, das für die nächsten paar Tage mein Zuhause sein wird. Ich denke an Andrea. Sie hat aus dem Vorfall des Vorjahres gelernt. Manchmal lohnt es sich, einfach abzuwarten, ruhig zu bleiben und zu lächeln. Denn zum Schluss zeigt sich, dass alles gut wird, alles eingefädelt ist, alle ihr Bestes geben. Jetzt könnten wir nur noch versuchen, die Rezeptionistin zum Lächeln zu bringen. Wetten, dass wir dies in den nächsten Tagen schaffen?!

Andrea, wie häufig bist du jetzt bereits an den Prague Games?
Das fünfte Mal. Zwei Mal mit Zug United und die letzten drei Jahre mit Zurich United. Ich bin hier, um zusammen mit Antje, Josiane und dir noch die letzten Vorbereitungen vor Ort zu treffen. Ich finde Prag eine coole Stadt. Für mich ist es inzwischen wie ein Heimkommen.

Wieso setzt du dich für Zurich United ein?
Ich habe Freude am Sport, an den strahlenden Gesichtern unserer Jungen. Ich habe in Zurich United mein Plätzchen gefunden, es fühlt sich an wie in einer grossen Familie. Ich weiss, dass wir eine tolle Woche erleben werden, mit schönen Erlebnissen.

Wo willst du in den kommenden Tagen sicher hin?
Sicher in die Stadt zu meinem Lieblingsstand. Dort kaufe und verdrücke ich ein Trdelnik – das typische Süssgebäck von Prag. Ich will auch zum Hotel Villa, dort gibt es einen ‘härzigen’ Garten. In den vergangenen Jahren assen wir dort ab und zu.

Hast du ein Ritual?
Nach meiner Ankunft gehe ich immer zum Albert, dem kleinen Laden in der Nähe des Hotels. Dort kaufe ich Wasser, Früchte und Mandeln. Ich muss im Hotel immer etwas zum Knabbern haben.

Ich schaue auch immer, ob Jakob an der Rezeption arbeitet. Er hat mir heute gefehlt. Den braucht es. Er kann deutsch, ist sympathisch, eine Frohnatur.

Und du schäkerst gerne?
Klar, neckisch und nett sein öffnet Tore auch die hier in Prag.